1825 wurde in Großbritannien die erste öffentliche Eisenbahnstrecke der Welt eröffnet. Ein Jahr später entstand in Frankreich die erste lichtbeständige Fotografie der Welt und im Jahre 1835 fuhr auch im späteren Deutschland die erste Eisenbahn. Ständiger Begleiter der sich weiter entwickelnden und neuen Bahntechnologie war die sich ebenfalls weiterentwickelnde und neue Fotografie. Ende des 19. Jahrhunderts / Anfang des 20. Jahrhunderts beschränkte sich die Eisenbahnfotografie jedoch auf verkaufsfördernde Werbefotos von fabrikneuen Eisenbahnfahrzeugen und Bahnhofsaufnahmen.

In den 1920er Jahren entstanden in Deutschland die ersten nicht kommerziellen und dennoch handwerklich anspruchsvollen Eisenbahnfotos, deren Vorreiter u.a. Carl Bellingrodt, Werner Hubert und Hermann Maey waren. Ihre meist mit einer Plattenkamera erstellten Fotos zeichneten sich neben einem ästhetisch anspruchsvollen auch immer häufiger durch einen romantisierenden Blickwinkel auf schöne deutsche Landschaften (z.B. die Rheinstrecken) aus. Nicht zuletzt deswegen gelten diese Schwarz-Weiß-Bilder heutzutage als Meisterwerke der deutschen Eisenbahnfotografie, was bspw. Carl Bellingrodt den Spitznamen „Der Meister“ einbrachte. Der Kreis diesbezüglicher Fotografen blieb jedoch sehr klein.

Auch im heutigen Mecklenburg-Vorpommern entstanden in den 1920er und 1930er Jahren die ersten hochwertigen, nicht kommerziellen Fotografien. Hauptakteure waren der schon angesprochene „Meister“ und der Warnemünder Fotograf Karl Eschenburg, wobei Eschenburgs Schwerpunkt jedoch nicht auf der reinen Eisenbahnfotografie lag.

Da die Menschen in den nachfolgenden 1940er Jahren andere Sorgen hatten, sind Carl Bellingrodt und Karl Eschenburg mit ihren wenigen Aufnahmen für das eisenbahn-dokumentarfotografische Erbe Mecklenburg-Vorpommerns bis in die 1950er Jahre hinein verantwortlich.

Die späten 1950er Jahre waren geprägt von ersten, erneuten Gehversuchen in Sachen Eisenbahnfotografie. Doch auch jetzt waren es nur Einzelpersonen, die sich, meist bewaffnet mit Kleinbildkameras, dieses Themas annahmen. Einer der Bekannteste unter ihnen dürfte der aus dem sächsischen Aue stammende Günter Meyer sein, d e r Eisenbahnfotograf der 1950er und vor allem 1960er Jahre in der Deutschen Demokratischen Republik. Auf seinen Reisen durch das DDR-Reichsbahnland öffneten sich ihm, dem stets in Uniform auftretenden Lokomotivführer aus dem sächsischen Aue so manche Türen. Leider vernichtete er in den 1950er Jahren aus Furcht vor dem Ministerium für Staatssicherheit Teile seines Fotoarchivs, so dass viele Fotodokumente für immer verloren gingen.

In den 1960er Jahren traten einige wenige weitere Eisenbahnfotografen auf den Plan, welche unter anderem den Betrieb vieler später stillgelegter Bahnstrecken fotografisch dokumentieren. Zu nennen wären beispielsweise Klaus Kieper aus Ahrensfelde bei Berlin, Georg Otte aus Dresden und weiterhin Günter Meyer.

In den 1970er und 1980er Jahren vergrößerte sich die Schar der fotografierenden Eisenbahnfreunde stetig, vermutlich nicht zuletzt eine Folge des immer weiter zunehmenden Wohlstandes und des dadurch resultierenden Wunsch nach sinnvoller Freizeitbeschäftigung.

Mit der in den 1990er Jahren begonnenen und bis heute nicht abgeschlossenen Entwicklung der digitalen Fotografie, deren Kameras mittlerweile die Größe einer Zigarettenschachtel aufweisen und der sich heutzutage zunehmend verbreitenden Handy-Fotografie ist nunmehr jeder jederzeit und überall in der Lage, ein Foto zu anzufertigen. Dies und die anschließende einfachere Handhabung der digitalen Daten haben zu einer wahren Bilderflut, nicht nur in Sachen Eisenbahnfotografie geführt. Das weltweite Datennetz quillt über angesichts Millionen von Texten und Fotos. Und kaum etwas entgeht noch dem Interessierten. So verabreden sich fotografierende Eisenbahnfreunde mittlerweile übers Internet, wenn an einem ganz bestimmten Tag ein ganz bestimmter Zug über eine ganz bestimmte Strecke verkehrt und dabei von einem ganz bestimmten Triebfahrzeug in einer ganz bestimmten Farbe gezogen wird. Allzu oft bleiben dabei jedoch Qualität und Archivierung auf der Strecke . . .

Nach wie vor gehören die Eisenbahnen in Mecklenburg-Vorpommern zu den am wenigsten fotografierten. Dies mag zum einen mit der in den mittel- und süddeutschen Bundesländern viel stärker vertretenen Schar von Eisenbahnfreunden liegen, zum anderen an den fehlenden Bergen, um die sich Eisenbahnstrecken schlängeln können und immer die berühmte Dorfkirche in Sichtweite haben.

Zugegeben, in Mecklenburg-Vorpommern benötigt man zuweilen Zeit, viel Zeit, um beispielsweise einen Güterzug vor die Kamera zu bekommen. Während diese auf der rechten Rheinstrecke oder aber der Nord-Süd-Strecke im Blockabstand verkehren, vergehen in den mecklenburg-vorpommerschen Weiten auch auf zweigleisigen elektrifizierten Hauptbahnen zum Teil Stunden, ehe sich ein dem Frachtverkehr dienender Zug blicken lässt.

Vielen heutigen Eisenbahnfotografen ist zudem die Bedeutung des „Jetzt“ scheinbar nicht bewusst: „Früher war alles besser und abwechslungsreicher!“ Wie wehmütig schauen sie auf die „alten Hasen“, welche in den 1970er und 1980er Jahren noch die Diesellokomotiven der Baureihe V180/118 im Plandienst fotografieren konnten. Und was haben die Einheitsdampflokomotiven fotografierenden Eisenbahnfreunde geflucht, wenn in den 1960er Jahren anstelle der planmäßigen 01er eine fabrikneue V 180 vor dem Zug zu sehen war. Den P8-Liebhabern hingegen dürfte eine Einheitsschnellzugdampflokomotive der Baureihe 01 wie „neumodscher Kram“ vorgekommen sein. Wie brachte es ein Zugfertigsteller des Rangierbahnhofes Rostock Seehafen 2007 auf den Punkt: „Das ist doch hier alles modernes Zeug, nichts historisches!“ Historisch? Nein, jetzt nicht. Aber morgen.

Angesichts der beschriebenen Bilderflut stellt sich die Frage, welchen Stellenwert die Fotografie bei einem selbst einnimmt. Fotografiert man mit der Handy-Kamera jeden Zug des Tages oder aber beschränkt man sich auf wenige, anspruchsvolle Motive pro Tag? Während die so entstandenen Handy-Fotos eine lückenlose und weitgehend unverfälschte Dokumentation zulassen, bergen die wenigen anspruchsvollen Fotos schon die Manipulation in sich. Meist werden bewusst romantisierende Blickwinkel eingenommen und mit fotografischen Mittel Bilder erzeugt, die vom Menschen in natura so gar nicht gesehen werden (können). Es bleibt die Frage: Wofür entscheidet man sich? Oder anders gefragt: Muss man sich denn entscheiden? Vermutlich haben beide Arten der Fotografie ihre Berechtigung, jeweils ihrem Schwerpunkt folgend. Der Unterschied wird nur sein, dass sich wohl niemand ein Handy-Foto in Quadratmetergröße an die Wand hängen wird . . .

 
   
     
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